Gesundheitsförderung Volkswagen Nutzfahrzeige


Wer einen Tag fehlt, muss danach zum Chef Rund 1000 Mitarbeiter melden sich bei VW in Stöcken täglich krank. Das Werk nimmt damit unter den deutschen VW-Produktionsstätten eine traurige Spitzenstellung ein. Jetzt ziehen die Unternehmensleitung und der Betriebsrat in Hannover Konsequenzen: Von Juni an werden schon Mitarbeiter, die nur einen Tag gefehlt haben, zu "Rückkehrgesprächen" eingeladen.

Unternehmensleitung und Betriebsrat haben ein unterschriftsreifes Modell ausgehandelt. In Stöcken werden Mitarbeiter, die sich nur für einen Tag krank gemeldet haben, vom Chef zu "Rückkehrgesprächen" eingeladen. Dabei notiert sich der Vorgesetzte auf einem Formblatt, ob die Gründe für die Krankheit mit der Arbeit zusammenhängen. Das Formular wandert in die Personalakte.

Wer häufiger fehlt - Günter Lenz, Geschäftsführer des Betriebsrats und Sprecher des Personalausschusses, nennt mehr als drei krankheitsbedingte Ausfälle pro Jahr - wird zu einem betrieblichen "Fehlzeitengespräch" gebeten. Der Kollege darf dabei seinen Vertrauensmann hinzuziehen. Auch über dieses Gespräch gibt es ein Protokoll. Ändert sich anschließend immer noch nichts an der Anzahl der krankheitsbedingten Ausfälle, werden zwei weitere Gespräche geführt, das letzte vor dem Personalausschuss. Hier kann auch über eine Kündigung entschieden werden.

Das System, das bereits im Juni greifen soll, trägt den Titel "Gesundheitsförderung Volkswagen Nutzfahrzeuge" und soll nach Ansicht von Betriebsrat Lenz auch tatsächlich dazu dienen, die Gesundheit der Mitarbeiter zu erhalten. "Die Gespräche", sagte Lenz, "sollen in einer angenehmen Atmosphäre geführt werden." Oberstes Ziel sei es, die Ursachen für Fehlzeiten zu erfragen, darüber Buch zu führen und sie, wenn möglich, abzustellen. Stichprobenartig sieht sich der Personalausschuss die Formblätter an. Falls arbeitsplatzbedingte Gründe genannt wurden, kontrolliert er, ob diese Ursachen beseitigt wurden.

Auskunft wird von den Arbeitnehmern auch darüber erwartet, was für eine Krankheit sie daran hinderte, am Arbeitsplatz zu erscheinen. Da der Arbeitgeber auf diese Information aber nicht bestehen darf, ist die Antwort auf die Frage freiwillig. "Wer keine Auskunft gibt, dem darf daraus auch kein Strick gedreht werden", betont Lenz. Das Werk in Hannover startet jetzt mit dieser Regelung, weil es in Sachen Krankenstand schlecht abschneidet: 7,2 Prozent der rund 14 000 Beschäftigten melden sich durchschnittlich pro Tag bei ihrem Chef in Stöcken krank. Dass die Hannoveraner gerne krankfeiern, diesen Schluss lässt Lenz allerdings nicht zu. Das Werk habe deswegen eine so ungünstige Quote, weil der Altersdurchschnitt hier sehr hoch sei. Außerdem sei die Arbeit an den Nutzfahrzeugen körperlich anstrengender als an den kleineren Personenwagen. Der Betriebsrat rechnet nicht damit, dass das System bei den Mitarbeitern auf Widerstand stößt. "Wer wirklich krank ist, bekommt jeden Schutz", sagt er. "Wer sich aber auf Kosten der Kollegen ausruht, kann nicht mit Rückendeckung rechnen."

Kündigungsschutz

Laut Rechtsprechung kann Arbeitnehmern, die häufig krank sind, gekündigt werden. "Häufig" ist dabei eine Frage des Ermessens: Von 15 Prozent der jährlichen Arbeitszeit an wird die Lage jedoch kritisch. Es müssen allerdings weitere Voraussetzungen erfüllt werden: Die Prognose über den Verlauf der Krankheit muss ungünstig sein. Wer also einen Gipsfuß hat, sechs Wochen fehlt, danach aber wieder voll einsatzbereit ist, braucht keine Kündigung zu fürchten. Außerdem muss der Arbeitgeber im Zweifelsfall darstellen können, dass er eine volle Arbeitskraft auf dieser Stelle dringend braucht, weil ansonsten der Betriebsablauf empfindlich gestört wird. Schließlich muss er prüfen, ob er dem Kranken nicht einen anderen Arbeitsplatz anbieten kann.
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